Immer wieder verlassen uns Kinder. Stellvertretend möchten wir einige von ihnen vorstellen. Mädchen und Jungen, die wir auf ihrem letzten Weg begleitet haben. Die tapfer und kämpferisch, liebenswert und phantasievoll waren. Und einzigartig – wie jeder einzelne Stern am Himmel.

„Wenn Sterne am Himmel leuchten, tritt Licht in unser Herz. Denn wir wissen, Du siehst auf uns herab…“ (aus einem Nachruf)

18.11.2013

EMIL

Im Alter von drei Monaten erleidet Emil eine schwere Hirnhautentzündung und in dessen Folge mehrere Infarkte im Gehirn.

„Ein sterbendes Kind gehört nach Hause.“

Diesen Satz sagte Julia Jacob, selbst Mutter eines unheilbar kranken Kindes, aus voller Überzeugung in die Fernsehkamera. Der Hessische Rundfunk hatte im Dezember 2013 einen Bericht über die ungesicherte Finanzierung der hessischen KinderPalliativTeams gedreht. Nur wenige Wochen zuvor war ihr kleiner Sohn Emil mit 17 Monaten gestorben. Zuhause – zum Glück und als Geschenk für die ganze Familie.

Im Alter von drei Monaten erleidet Emil eine schwere Hirnhautentzündung und in dessen Folge mehrere Infarkte im Gehirn. Acht Monate lang liegt der kleine nun mehrfach schwerstbehinderte Junge auf der Kinderintensiv- und der Neuropädiatrischen- Station im Klinikum Kassel. Immer abwechselnd bei ihm Mama Julia oder Papa Dirk. Zu Hause, im 35 Kilometer entfernten Velmeden, gibt es aber noch das andere Leben: der Alltag mit den weiteren Kindern Mieke und Emils Zwillingsbruder Louis (heute 4 und 2 Jahre), Haus, Tiere und Beruf des Mannes. „Unsere Familienstrukturen waren komplett auseinander gebrochen. Das gemeinsame Leben fand quasi nicht mehr statt.“, erinnert sich die 32-Jährige.

Als Emil im Juni 2013 wieder einen Tiefpunkt hat und unklar ist, ob er ihn überlebt, steht im Raum, ihn erneut an eine Beatmungsmaschine anzuschließen. Emils Eltern entscheiden sich dagegen, ihren Sohn noch länger an Schläuchen gefesselt im Krankenhaus zu lassen und nehmen Emil stattdessen mit nach Hause. "Dieser Schritt ist uns nicht leicht gefallen", so Julia Jacob. Doch gestärkt durch das KinderPalliativTeam, das die Familie kurz zuvor kennengelernt hatte, können sie diesen Weg einschlagen. Zeitweise stabilisiert sich Emils Zustand. „Doch es gab immer wieder auch prekäre Situationen mit Emil. Aber allein ein Telefonat mit den Ärzten – wann immer wir es brauchten - konnte uns da oft schon beruhigen. Und auch der Weg zu uns nach Velmeden war dem PalliativTeam zu keiner Tages- und Nachtzeit zu weit.“, berichtet die Mutter.

Emils Bettchen, in dem der kleine Junge an einen Überwachungsmonitor angeschlossen liegt, wird zum Mittelpunkt im Wohnzimmer und gehört mittlerweile zum normalen, vertrauten Bild. Die Geschwister sitzen oft bei Emil, bringen ihm Spielsachen und Bücher, streicheln und schmusen ihn. Zu den Ärzten und Pflegekräften vom PalliativTeam gewinnen sie schnell Zutrauen. „Sie sind so liebevoll und verständnisvoll mit den Kindern umgegangen und haben damit jegliche Angst vorm Kranksein und Sterben genommen“, erzählt Julia Jacob. Auf Anregung von Christiane Engelmohr, der Sozialpädagogin vom KinderPalliativTeam Nordhessen, lädt Mieke sogar ihre ganze Kindergartengruppe nach Hause ein, um den kranken Bruder vorzustellen. „Sie hat immer viel von ihm gesprochen, nur den Erzieherinnen war das Thema wohl unangenehm und schwer zu begreifen. Sie waren sehr verunsichert und konnten sich die Situation bei uns, wie viele andere auch, nicht vorstellen. Das wollten wir ändern.“

Die Nacht, in der Emil stirbt, ist eine ruhige und friedliche. Das Abschiednehmen im familiären Kreis ist tränenreich, aber auch in sich stimmig und akzeptiert. „Wir wussten, dass es passieren wird. Der Weg dorthin war für uns trotz aller Trauer eine schöne Erfahrung. Wir sind dankbar für alles, was wir durch und mit Emil erlebt haben. Ohne den Glauben an Gott und ohne das KinderPalliativTeam an unserer Seite wie auch anderer Unterstützung hätten wir diese schwere Zeit nicht aus eigener Kraft tragen können.“

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